Erfahrung
Wir alle wissen, dass die wertvollen Erfahrungen die sind, die wir selbst machen. Es gibt aber auch Erfahrungen, auf die wir gut verzichten können. Und wenn wir schlau sind, dann lernen wir auch aus den Erfahrungen die Andere gemacht haben. Ich möchte von einer Erfahrung berichten, auf die ich sehr gut verzichten könnte, aus der aber nicht nur ich etwas lernen kann.
Seit über einer Woche segeln wir von Kos kommend über die Ägäis nach Lavrion. Die Crew besteht aus vier erfahrenen Seglerinnen und Seglern, meine Yavas Yavas ist in bestem Zustand und ich bin schon viele Male hier gesegelt. Herrliche Strecken liegen hinter uns, wir sind eingespielt und fahren mangels Windes unter Motor die Westküste der Kykladen Insel Kea entlang.
Wir sind entspannt, zu entspannt. Dann kommt das Geräusch, das ich nie mehr im Leben hören möchte. Mit sieben Knoten schiebt sich der Kiel auf ein winziges Felsenriff. Die folgenden Abläufe ergeben sich aus der Dringlichkeit. Zunächst konnten wir erleichtert feststellen, dass niemand verletzt ist. Die Bodenbretter anheben und die Überprüfung der Kielbolzen ergab keine größere Beschädigung. Ein Mitsegler geht mit Maske ins Wasser um die Situation zu klären. Schräg waren wir auf das einen Meter unter der Wasseroberfläche liegende Riff aufgelaufen. Ruder und Antrieb waren frei. Mit viel Gas rückwärts und der Hilfen von Wellen von einem Frachtschiff kamen wir wieder von dem Riff. An der Kiel-Rumpf-Verbindung hatten wir einen leichten Wassereinbruch, der aber mit Bordmitteln und Pumpe leicht zu kontrollieren war. In Lavrion gibt es einen Kran und Personal für die Reparatur. Bei unserer Ankunft dort, erwartete uns bereits ein Team von der Olympic Marina um das Boot aus dem Wasser zu nehmen. Ich bin begeistert von der Kompetenz und dem Engagement der Werftcrew. Schon am nächsten Tag wurde der Mast gezogen und anschließend der Kiel demontiert. Derzeit wird das beschädigte Laminat entfernt und dann neu aufgebaut. “Stärker und besser als neu“ wird meine Yavas Yavas wieder ins Wasser zurückkehren, so die Ansage der Handwerker.
Was können wir mitnehmen aus dem Unfall? Ich als Skipper trage die Verantwortung dafür. Das unbetonnte Riff ist in der Papierkarte nicht eingetragen und auf dem Plotter nur in ganz starker Vergrößerung (das erinnert an den Vestas-Crash beim Volvo-Ocean-Race 2014). Meine Aufgabe war es, bei aller Entspannung und Erfahrung, die Strecke auf Untiefen zu überprüfen. Wir betreiben eines der schönsten Hobbys, eine der schönsten Sportarten, genießen die Natur und die Leichtigkeit auf See. Bei aller Technik die uns zur Verfügung steht sollten wir uns selbst beim entspanntesten Urlaubstörn immer darüber klar sein, dass wir umsichtig sind und Verantwortung tragen.
Das Koundouros Reef ist ein beliebter Tauchspot. Es liegen dort Wracks von Schiffen, die nicht so viel Glück hatten wie wir. Laut Angabe der Werftmitarbeiter fahren jedes Jahr mehrere Yachten auf die Untiefe.
Mir bleibt ein Loch in der Bordkasse, eine wertvolle Erfahrung und das Bewusstsein, dass wir viel Glück im Unglück hatten. Ich bin glücklich, ein so starkes Boot zu segeln.
Euch wünsche ich, dass Ihr viele schöne Erfahrungen macht und etwas aus meiner unglücklichen Erfahrung etwas mitnehmt.
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