Erlebnisse beim Fahrtensegeln

Jeder und jede, die schon einmal länger als 4 Wochen mit dem Boot unterwegs waren, werden erfahren haben, dass Fahrtensegeln nicht nur aus 10 Meilen am Wind bei Sonne und der anschließenden einsamen Ankerbucht besteht. Wir suchen uns die gemütlichen Kurse aus, oder wir warten bis der Wind passt. “Gentleman don’t tack” sagen die Engländer.

Und Fahrtensegeln bedeutet auch immer wieder Alltagssituationen unter besonderen Bedingungen zu meistern. Die Organisation von Ersatzteilen für das Boot kann genau so eine Herausforderung bedeuten wie der Besuch eines Friseurs der zwar sein Handwerk, aber keinerlei Fremdsprachen versteht. Und es gibt natürlich all die kleinen und großen Abenteuer unterwegs, von denen ich gerne berichte.

 

Wenn ich reise, bin ich an Menschen, Küche, Musik und Kultur interessiert. Diese Liste werde ich jetzt um Frisöre ergänzen. Meine Haare hatten es wieder einmal nötig. Wir lagen in Domenica, vor der Stadt Roseau. Eine wuselige, karibische Kleinstadt. Wie überall in der Karibik sitzen Menschen vor Häusern und tun nichts. Ich bin mir sicher, chillen wurde in der Karibik erfunden. Mit meiner Crew laufen wir durch den Ort bis ich einen Frisör entdecke. Nein, eigentlich habe ich ihn gehört. Ein kleines buntes Holzhaus (Farbe wird in der Karibik als tragendes Element im Bau eingesetzt), hell erleuchtet und aus der offenen Tür dröhnt karibische Popmusik. Nachdem ich mir sicher war, dass dies keine Bar sondern tatsächlich ein Frisörladen war, habe ich mir gedacht, mehr als meine Haare kann ich nicht verlieren. 2 junge Männer waren hier zu Hause, wenn man das nach Pizzaschachteln, Bierdosen, Aschenbechern und einem Schlafsofa beurteilen kann.Ich versuche dem, der gerade frei ist, klarzumachen, dass ich einfach nur etwas kürzere Haare haben möchte. Er zeigt mit eine Tafel und ich soll mich zwischen Bob Marley, Barack Obama und Don King entscheiden. Puuuh! Ich versuche noch einmal meine Wünsche mitzuteilen. Der junge Mann nickt, bittet mich auf seinen Stuhl, fesselt mich mit einem Umhang und holt eine mindesten 50 Jahre alte Haarschneidemaschine aus dem Schrank. Während er meinen Kopf bearbeitet, skyped er mit seiner Freundin, nur gelegentlich von einem Blick auf sein Werkstück unterbrochen. Meinem Nachbaropfer geht es nicht viel besser. Sein Haarkünstler schaut James Bond auf dem Smartphone während er mit spitzer Schere knapp am Ohr vorbei arbeitet. Da ich wehrlos bin wird die Zeit genutzt, um noch ein paar Zusatzleistungen anzubieten („Bob-Marly-Zigaretten“, die große Schwester…). Nach 20 Minuten verlasse ich um einiges ärmer (Haare, Dollar), aber auch um einiges reicher (Erfahrung, Hörschaden) den Laden. Und so schlimm sah es auch nicht aus, sagen meine freundliche Mitsegler.

 

Es kann auch ganz anders sein, das Haare schneiden. Wie gerne erinnere ich mich an einen Törn mit meinen lieben Freunden Burgel und Bernd, beide Frisöre. Auf einem wackeligen Holzsteg direkt hinter der Yacht saß ich auf einem wackeligen Hocker und vor langsam größer werdenden Publikum bekam ich eine neue Frisur. Und weil das so gut aussah, kamen die Segler von den Nachbarbooten auch noch unter die Schere. Wir hatten einen tollen Abend und viele schöne Menschen am Steg (das ganze Projekt haben wir auf der Hafenpromenade von Korinth wiederholt).

Natürlich geht es auch einfacher. Auf unserer Atlanik-Überquerung habe ich meinem Freund Frank die Haare mit einer Art kleinem Rasenmäher gestutzt. War auch ok…. ;-)).

 

Der König aller Frisöre ist für mich aber Berber Bayram. DER Frisör in meinem türkischen Heimatdorf. Das ist kein Haarschnitt, das ist ein komplettes Wellnessprogramm. Haare waschen und schneiden, Ohren (mit offenem Feuer), Nase und Wangen enthaaren. Kopf-, Arm-, Hand-, Finger-Massage. Alle Säfte und Düfte des Orients werden auf mir verteilt. Und dazu gibt es Tee und alle Neuigkeiten aus dem Dorf.

Elektrische Bewegungsmelder sind kurz nach LED’s nur für Türken erfunden worden. Kommt mal im Sommer in eine türkische Ankerbucht. Eine Disco ist ein Friedhof gegen diese kreative Auslegung des Begriffs “Ankerlicht”. Ihr werdet verstehen was ich meine. In allen Farben, blinkend und blitzend, über und unter Wasser (es könnte ja noch ein U-Boot einlaufen) wird die Bucht beleuchtet.

 

Aber zurück zum Bewegungssensor. Ein ausgesprochen talentierter Verkäufer hat die Buchtenlokale an der türkischen Küste als Zielgruppe entdeckt. In kaum einer der oft schlichten Toiletten gibt es noch Handtücher an denen wir uns nach dem Waschen der Hände diese abtrocknen können. Wir wedeln vor einem Plstikkasten herum und hoffen, dass dieser ein Papierhandtuch ausspuckt. Wenn er denn befüllt wurde und wenn es denn Strom gibt. Was in diesen schöne und abgelegenen Lokalen nicht immer der Fall ist.

 

Ein weiteres Bewegungssensor – Erlebnis hatte ich in Griechenland. Das gute Tavernenessen und der Wein trieben mich auf die Toilette. Die Suche nach dem Lichtschalter erübrigt sich. Es schaltet sich automatisch ein. Kaum habe ich die Position zur Erledigung meines Geschäfts eingenommen sitze ich im Dunkeln. Als alter Antifaschist hebe ich meinen linken Arm. Nichts tut sich. Ich winke. Es bleibt dunkel. Na gut, beide Arme. Nichts. Ich mache sitzend die Windmühle. Das Licht geht an. Für 3 Sekunden. Na gut, mein Geschäft kann ich auch im Dunkeln beenden. Aber wo war nochmal das Klopapier? Wieder die Windmühle. Kein Licht. Schneller. Nichts. Wenn ich mir jetzt die Schulter auskugele, wie soll ich das dem Orthopäden erklären? Ich taste die Wand ab und finde das Papier. Nichts wie raus. Die Taverne ist dunkel. Stromausfall auf der kleinen Ägäisinsel.